
10. Dezember
Benedikt:
Der erste Schnee des Winters fiel lautlos auf das kleine Dorf am Waldrand. Die Häuser wirkten, als hätten sie sich in warme, weiße Decken gehüllt. Doch auf dem Dorfplatz brannte dieses Jahr kein Adventslicht. Die große Laterne, die jedes Jahr zur Adventszeit aufgestellt wurde, war verschwunden.
Toni:
Niemand wusste, wie das geschehen konnte. Die Laterne war alt, aus Eisen geschmiedet und mit vielen Erinnerungen gefüllt. Sie war ein Teil des Dorfes – ein Symbol für Licht, Hoffnung und gegenseitige Hilfe. Als die Bewohner ratlos beisammenstanden, fiel der Blick auf die kleinste von ihnen: die zehnjährige Emma.
Benedikt:
Emma hob zögerlich die Hand. „Ich hab da eine Idee“, sagte sie leise. „Vielleicht sollten wir im Wald suchen. Die Laterne… hat doch immer am Rand des Waldes gestanden. Vielleicht ist sie nur umgekippt oder eingeschneit.“ Einige lächelten müde. Andere zuckten mit den Schultern. Doch schließlich machten sich zwei Dorfbewohner auf den Weg – und Emma durfte mit.
Toni:
Der Wald war still, nur das Knirschen des Schnees begleitete sie. Die Tannen trugen schwere weiße Kappen, und der Wind flüsterte leise zwischen ihren Zweigen. Emma ging voraus. Sie war sich sicher, dass der Wald ihnen helfen würde – irgendwie.
Benedikt:
Nach einer Weile blieb Emma stehen. Vor ihr lag eine schmale Spur im Schnee, als hätte jemand etwas Schweres gezogen. Sie folgten ihr tiefer in den Wald hinein, bis sie an eine Lichtung kamen. Dort, halb eingeschneit, stand die vermisste Laterne – und daneben ein alter Mann.
Toni:
Er trug einen verschlissenen Mantel und hielt die Laterne vorsichtig in den Händen. „Ich hoffe, ich habe nichts falsch gemacht“, sagte er leise. „Ich wollte sie nur reparieren. Ihr Licht schien in den letzten Jahren immer schwächer… Ich dachte, ich könnte es wieder zum Strahlen bringen.“ Die Dorfbewohner sahen sich überrascht an. Keiner hatte bemerkt, dass das Licht schwächer geworden war.
Benedikt:
Emma trat einen Schritt vor. „Darf ich mal?“ Sie nahm die Laterne behutsam in die Hände. Das Glas war geputzt, die Metallverzierungen glänzten – und in der Mitte lag eine neue Kerze, sorgfältig von Hand gezogen. „Sie ist wunderschön“, sagte Emma. „Vielen Dank.“
Toni:
Der alte Mann lächelte schwach. „Ich hatte früher nicht viel zu geben. Aber ich dachte, ein bisschen Licht kann jeder schenken.“ Gemeinsam trugen sie die Laterne zurück ins Dorf. Als sie auf dem Platz aufgestellt wurde, versammelten sich die Menschen darum.
Benedikt:
Emma durfte die Kerze anzünden. Die Flamme sprang sofort über, warm und golden. Sie tanzte im Wind, als wolle sie sagen: Ich bin wieder da. Ein leises Raunen ging durch die Menge, und plötzlich wirkten alle ein wenig leichter, ein wenig heller.
Toni:
„Seht ihr“, sagte Emma, „manchmal braucht es nur einen Menschen, der Licht bringen will – und schon sieht die Welt wieder anders aus
